Beteiligungsforum mit Handwerksorganisationen, Forschungsinstitutionen, Wirtschaftsverbänden und der NRW-Landespolitik:
5. Umfrage des Innovationsdialogs identifiziert Treiber und Hemmnisse für nachhaltiges Wirtschaften in Handwerksbetrieben
Das Thema Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig. Es birgt Chancen und Herausforderungen für das Handwerk. Der Innovationsdialog Handwerk in NRW hat Entscheiderinnen und Entscheider aus den nordrhein-westfälischen Handwerksorganisationen sowie der Partner des Handwerks aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu Treibern und Hemmnissen für nachhaltiges Wirtschaften in Handwerksbetrieben befragt. 47 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich mit insgesamt 633 Antworten an der Befragung beteiligt.
Treiber für Nachhaltigkeit im Handwerk
Bei der Frage, welche drei Treiber die wichtigsten sind, zeigt sich ein deutliches Ergebnis: Mit knapp 81 Prozent schätzen die 47 Befragten mehrheitlich „Kundenanforderungen“ als wichtigsten Treiber im Handwerk ein. Mit etwas Abstand folgen mit 48,9 Prozent die „gesetzlichen Vorgaben“ auf Platz zwei. Mit 44,7 Prozent belegt die „gesellschaftliche Verantwortung“ den dritten Platz. An vierter Stelle folgt die „Senkung der Betriebskosten“ mit 40,4 Prozent. Knapp 30 Prozent nennen die „stärkere Mitarbeitermotivation bzw. -bindung“ als wichtigen Nachhaltigkeitstreiber im Handwerk. Den „Zugang zu neuen Märkten“ und die „Anforderung von Kapitalgebern (z.B. Banken)“ sehen die Befragten mit jeweils 23,4 Prozent als mäßig relevant. Die „Anforderung von Lieferanten“ wird mit 10,6 Prozent als geringster Treiber der Nachhaltigkeit bezeichnet.
Welches sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Treiber für Nachhaltigkeit im Handwerk?
Hemmnisse, um nachhaltiges Wirtschaften im eigenen Betrieb stärker anzugehen:
Deutlich einhelliger fallen die Antworten für Faktoren aus, die den Prozess hin zu nachhaltigem Wirtschaften in Betrieben hemmt. Hier werden „mangelndes Wissen“ sowie „mangelnde persönliche Ressourcen“ als die größten Hemmnisse identifiziert. Mit jeweils 57,4 Prozent liegen sie vor den „fehlenden finanziellen Ressourcen“ und der „fehlenden Zeit“ mit 51 Prozent. Außerdem geben 36,2 Prozent der Befragten an, dass „fehlende alternative Technologien“ der weiteren nachhaltigen Transformation in Handwerksbetrieben im Wege stehen und 23 Prozent bemängeln die „fehlende Beratungs- und Unterstützungsangebote“.
Nur 8,5 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben an, „kein Bedarf“ für nachhaltiges Wirtschaften zu sehen. Als weitere Faktoren nennen die Teilnehmenden Kostensteigerungen, Bürokratie und fehlende Anreize.
Welches sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Faktoren, die Betriebe davon abhalten, nachhaltiges Wirtschaften im eigenen Betrieb stärker anzugehen?
Handlungsfelder, die dringend mehr Aufmerksamkeit benötigen:
Nachhaltigkeit umfasst eine Vielzahl von Themen und Handlungsfeldern. Die Top-Themen des öffentlichen Diskurses decken sich dabei nicht zwingend mit den Prioritäten der Betriebe. Knapp 60 Prozent der Befragten wünschen sich aktuell einen noch stärkeren Fokus auf das Thema „Kreislaufwirtschaft“. Knapp die Hälfte der Befragten wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für die Handlungsfelder „Technologiemonitoring“ (48,9 Prozent) und „Fördermittel“ (46,8 Prozent). „Betriebliche Vernetzung über das Handwerk hinaus“ erhält knapp 40 Prozent, „Informations- und Berichtspflichten“ knapp 32 Prozent. 26 Prozent der Befragten nennen „nachhaltige Finanzierung“ als dringliches Thema. Wenig relevant sind nach Einschätzung der Befragten die Themenfelder „Unternehmenszertifizierung“ (10,6 Prozent) und „Produktdesign“ (4,3 Prozent).
Welche Handlungsfelder bedürfen aus Ihrer Sicht dringend mehr Aufmerksamkeit?
Wissensstand im Hinblick auf nachhaltige Finanzierung im Kontext der Pariser Klimaziele und der UN-Nachhaltigkeitsziele
Die Europäische Kommission prognostiziert einen EU-weiten jährlichen Investitionsbedarf von ca. 260 Mrd. Euro, um die Pariser Klimaziele und die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. „Grüne Investitionen“ werden deswegen mit Hilfe von Anreizen und Regulierung gefördert. Für die Handwerksbetriebe bedeutet dies, dass sie bei der Akquise von Finanzmitteln zunehmend die positiven Auswirkungen auf die Umwelt, im Bereich Soziales oder auf die Unternehmensführung als einen zusätzlichen Baustein belegen müssen. 25,5 Prozent sehen sich „gut“ , 8,5 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sogar „sehr gut“ informiert. Demgegenüber geben knapp 36 Prozent an, „wenig“ Kenntnisse im Bereich nachhaltige Finanzierung zu besitzen. Ein größerer Wissensstand zeigt sich bei 28 Prozent der Befragten, die Angaben, „einige“ Kenntnisse zu haben. Insgesamt ist hier weiterer Informationsbedarf vorhanden.
Nachhaltige Finanzierung hat unmittelbare Auswirkungen auch auf Handwerksbetriebe. Für sie bedeutet das, dass sie beim Bedarf an Betriebsmitteln bzw. bei geplanten Investitionen sowie bei der Beantragung von Fördermitteln zunehmend die positiven Auswirkungen auf die Umwelt, im Bereich Soziales oder auf die Unternehmensführung als einen zusätzlichen Baustein belegen müssen. Wie gut kennt sich Ihre Organisation damit aus?
Was unternimmt Ihre Organisation bereits zur Förderung betrieblicher Nachhaltigkeit?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nennen eine Vielzahl von Aktivitäten, die in ihren Organisationen zur Förderung des nachhaltigen Wirtschaften in Betrieben bereits unternommen werden. Dazu gehören Nachhaltigkeitschecks, Zertifizierungen, die Beteiligung an Forschungs- und Beratungsprojekten, Vorträge, Seminarveranstaltungen und die Mitarbeit in Gremien und Arbeitskreisen. Der Nachhaltigkeitsnavigator der ZWH (Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk) zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts findet Erwähnung. Auch im operativen Geschäft finden Veränderungen statt, etwa Veränderungen der Lieferketten und die Umstellung auf nachhaltige Verpackungen. Darüber hinaus wurden Bildungsinitiativen für Nachhaltigkeit, z.B. im Bereich elektronischer Produkte, initiiert. Die Förderung grüner Technologien und die Elektrifizierung von Fahrzeugen wird unterstützt, ebenso Schulungen zum Umgang mit Restmaterialien und deren Entsorgung. In der Gesamtschau lassen die Aktivitäten erkennen, dass sich schon viele Organisationen mit Beteiligung von Handwerksbetrieben in verschiedenen Projekten und Initiativen für nachhaltiges Wirtschaften engagieren.
Ideen, Impulse und gute Beispiele, wie sich das Handwerk nachhaltiger aufstellen kann
Die Teilnehmenden haben zahlreiche Ideen und Impulse geäußert, wie sich das Handwerk nachhaltiger aufstellen kann. Zu den Wünschen gehört, dass Best Practice Beispiele für nachhaltiges Handwerk verstärkt öffentlichkeitswirksam präsentiert werden, um Nachhaltigkeit praxisnäher und anschaulicher zu machen. Dabei sollten auch gewerkespezifische Potenziale Berücksichtigung finden. Beispiele könnten helfen, Nachhaltigkeit noch stärker als Chancen- und Zukunftsthema zu platzieren.
Zudem wurde aufgezeigt, dass Handwerksorganisationen derzeit Instrumente und Angebote für die Betriebsberatung im Bereich Nachhaltigkeit entwickeln. Angeregt wird eine engere Vernetzung der Akteure und gemeinsames positives öffentliches Marketing, um Berührungsängste mit dem Thema abzubauen. „Use Cases“ könnten als Inspiration für Betriebe dienen. Das Bereitstellen von Mustertexten für Nachhaltigkeitsberichte wird ebenfalls als hilfreich erachtet.
Weitere Impulse betreffen Werterhalt und Reparatur als Kernkompetenz des Handwerks. Angeregt wird, einen Fokus auf „Reparieren statt Austauschen“ zu legen und beispielsweise Reparaturinitiativen zu starten.
Empfohlen wird eine öffentlichkeitswirksame Bewerbung der Zertifizierung über den DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex). Die Zertifizierung trage zur Bewusstseinsbildung bei und beflügele damit indirekt die Optimierung von Produkten, die Wiederverwertung und das Recycling sowie die Digitalisierung von Prozessen und die Vernetzung regionaler Strukturen. Schließlich wird angeregt, die Fördermittelaquise zu intensivieren und neue Formen der Zusammenarbeit zu erproben, etwa die Kooperation mit Sparkassen und Volksbanken zur nachhaltigen Finanzierung. Wichtig sei die Unterstützung der Betriebe bei der Festlegung von Standards für das Handwerk.
Der Innovationsdialog Handwerk in NRW wird gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.